Sehr geehrte Damen und Herren,

Vielen Dank für Ihr Erscheinen und Ihr Interesse.

Als der ursprüngliche Initiator dieser Ausstellung möchte ich mich zuerst beim Museum – vor allem Frau Kremeier und Frau Rolf – ganz herzlich dafür bedanken, dass diese zumindest in meinen Augen interessanten, schönen und vielseitigen Arbeiten hier ausgestellt werden. Es kommt nicht allzu häufig vor, das Handpressendrucke – und die meisten Arbeiten hier sind ebensolche – so repräsentativ ausgestellt werden.

Der gemeine Handpressendrucker an sich ist geschlechter- und länderübergreifend ausstellungstechnisch meist in einer schwierigen Lage: Für viele ist er kein richtiger Künstler, weil er oft „nur“ mit Schrift oder weitgehend abstrakten Formen arbeitet. Er ist aber auch kein Gebrauchsgrafiker bzw. neudeutsch Grafikdesigner, weil er in der Regel ohne praktischen Anlass und meist ohne externen Auftraggeber einfach etwas druckt, was vordergründig keinen praktischen Sinn hat. Bis auf ein paar exotische Ausnahmen arbeiten Handpressendrucker also weder für den kommerziellen Kunstmarkt noch für den richtigen Markt, sondern meist und vor allem fürs eigene Vergnügen. Solch Verrückte gibt es erstaunlicherweise noch immer überall auf der Welt, auch wenn sie zu einer immer kleineren Population von Jüngern aussterbender Drucktechnologien schrumpfen. Manchmal drucken sie sogar ganze Bücher, häufiger aber dann doch die weniger aufwendigen Einblattdrucke. Dass wir keine osteuropäischen, australischen oder südamerikanischen Arbeiten sehen, liegt an der 2016 noch im Vergleich zu heute rudimentären Vernetzung der Szene. Wenn man heute zu einer derartigen Ausstellung aufrufen würde, wären mit Sicherheit auch Kollegen aus Tallinn, Moskau, Rio, Tokyo oder Sydney dabei. Weil das Thema DADA für viele Kollegen weltweit ein besonders reizvolles ist in seiner Verbindung aus Inhalt, Typografie und Poesie.

Ich sollte hier zur Technik dieser Drucke reden und fasse deshalb nun über zweitausend Jahre Druckgeschichte in ein paar Sätzen zusammen:

Handpressendrucke sind zunächst einmal Drucke, die auf einer Handpresse gedruckt werden. Das klingt eindeutig, ist es aber natürlich nicht. Es gibt Handpressen-Geräte (ganz ohne Motoren) bzw. Handpressen-Maschinen (mit Motor) für alle vier klassische Druckverfahren – den Hochdruck, den Tiefdruck, den Flachdruck und den Durchdruck. Und zumindest bei einigen dieser Maschinen, die ja ihrem Namen nach eigentlich von Hand bedient werden sollten, ist die Grenze zum Maschinendruck relativ fließend oder unscharf. Weil bestimmte Abläufe an diesen Maschinen so mechanisiert wurden, dass sie mit Motoren ausgeführt werden. Was dann wiederum die angeblich druckende Hand oft auf den Finger reduziert, der nur einen elektrischen Schalter drückt. Weitgehend – wenn auch wiederum nicht durchgehend – gemeinsam ist den „Handpressendrucken“, dass das zu bedruckende Papier händisch und somit einzeln der Druck-Maschine zugeführt wird. Was in der Regel zu relativ kleinen Druckauflagen führt. Handpressendrucke sind also meist schwer zu definierende Drucke in eher kleinen Auflagen gedruckt auf Maschinen, über die sich das Publikum nicht unbedingt Gedanken machen sollte, solange sich nicht einmal die Experten wirklich einig sind. Im Holländischen heißen diese Drucke viel zutreffender „Seltsame Drucke“.

Wir haben es in dieser Ausstellung neben einigen Collagen, einer Serie von Siebdrucken und einer Serie von Offsetdrucken ganz überwiegend mit Hochdrucken zu tun. Das hat ganz sicher etwas damit zu tun, dass die Verwendung von mindestens einem Buchstaben Teilnahmebedingung war. Das hatten wir zum Einen gemacht, um nicht mit rein bildnerischen Exponaten zugeschüttet zu werden und zum anderen, weil ich mit dieser Ausstellung natürlich etwas für meine „Handpressen-Community“ tun wollte. Und natürlich selbst sehr gespannt war, was dabei herauskommen würde.

Der Hochdruck ist die älteste Drucktechnik der Menschheit und ganz einfach zu begreifen: erhabene Flächen einer Druckform werden eingefärbt, tiefer liegende Flächen bekommen keine Farbe ab und das ganze wird auf Papier gepresst. Jeder kennt das vom Stempel, von Kartoffeldrucken im Kindergarten oder Linolschnitten im Kunstunterricht.
Das haben natürlich die alten Chinesen oder möglicherweise auch noch ältere Koreaner erfunden. Und als man dann auch noch die Schrift bzw. verschiedene Schriften erfunden hatte, war der Hochdruck natürlich das Verfahren zur Vervielfältigung – es gab die anderen Drucktechnologien einfach noch nicht. Zunächst wurden Texte in Druckplatten geritzt bzw. geschnitten und irgendwann kamen heute unbekannte Genies – natürlich auch in Asien – auf die Idee, Buchstaben bzw. Schriftzeichen einzeln herzustellen und beliebig und mehrfach zu kombinieren und somit für verschiedene Drucke zu benutzen. Das nennen wir heute den Druck von der beweglichen Letter.
Der Mann des letzten Jahrtausends, auf den wir als Landsleute so stolz sein dürfen, hat also weder den Buchdruck noch den Satz mit beweglichen Lettern erfunden. Sondern exakt genommen eigentlich nur den Druck von beweglichen aus Metall gegossenen Lettern mit lateinischen Buchstaben und einige der dazu nötigen Werkzeuge. 

Das mag jetzt den einen oder anderen von Ihnen enttäuschen, aber schmälert Gutenbergs welthistorische Leistung keineswegs, denn die damit verbundene Wirkung auf praktisch alle Gebiete der Zivilisation war natürlich schlichtweg gewaltig.
Diese Revolution der plötzlich massenhaften Bücherproduktion führte unter anderem dazu, dass der Hochdruck seit 500 Jahren auch landläufig und technisch weniger exakt „Buchdruck“ genannt wurde. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein wurden die allermeisten Bücher von Bleilettern auf Hochdruckmaschinen gedruckt. Trotz aller mittlerweile erfundenen anderen Druckverfahren ist der Buchdruck noch immer gewissermaßen der direkteste Weg vom Buchstaben aufs Papier: Die Blei- und Holzlettern waren ja dafür gemacht, direkt aufs Papier gedruckt zu werden. Während es für alle anderen Druckverfahren zumindest bis in die 60er Jahre nicht wirklich entsprechende Satzverfahren gab. Es gibt keine Lettern für den Tiefdruck, den Offsetdruck, den Steindruck etc. die direkt verwendet werden könnten. Erst mit der Erfindung der Computer-to-plate Technik für Offsetdruck und der Erfindung des Digitaldrucks in den 90er Jahren gibt es einen direkten Weg vom Computer aufs Papier ohne irgendwelche komplizierten Umwege.

Und diese im Grunde einmalige Verbindung oder Nähe von Typografie – also Buchstaben als Druckformen – zum eigentlichen Druck auf ein sehr weites Spektrum von bedruckbaren Materialien macht eben für den typografisch arbeitenden Pressendrucker den Reiz aus, der alten Technik des Hoch- bzw. Buchdruckes zu frönen. 

Eine weitere schöne Eigenart: man kann jeden Buchstaben und sogar jeden Leerraum anfassen. Was kreative Momente ermöglicht, die man woanders gar nicht haben kann. 

Ein anderer Reiz des Setzens mit Lettern ist seine Begrenztheit. Anders als am Computer, mit dem man ja heutzutage meistens Drucksachen und Typografie gestaltet, kann man im analogen Satz mit richtigen Lettern viele Dinge nicht. Man kann nur Buchstaben drucken, die man hat … und irgendwann fehlt halt irgendein Buchstabe. Man kann keine Größen verändern, Buchstaben verzerren, aufblasen, konturieren, keine Raster unterlegen und selbst Kreissatz oder Zeilen in Wellenform zu setzen ist nicht einfach und nie so elegant wie am Computer. Man muss also aus dem oft Wenigen, was man hat, trotzdem etwas machen. Und eben das beflügelt im günstigen Fall die Kreativität. Sie können in dieser Ausstellung etliche günstige Fälle davon entdecken.

Auf eine kleine Besonderheit möchte ich Sie noch aufmerksam machen. Es gibt natürlich unter den Pressendruckern verschiedene Generationen, die aber nicht unbedingt ans biologische Alter der Kollegen gebunden sind. Es sind Leute dabei, die sind Profis, weil sie mit dem Handwerk aufgewachsen sind und das richtig gelernt haben. Das sind oftmals die, die eine gewisse handwerkliche Perfektion so verinnerlicht haben, dass sie trotz möglicherweise experimenteller Gestaltung Wert darauf legen, dass jeder Buchstabe perfekt ausgedruckt ist. Das macht gerade bei alten abgenutzten Schriften eine Menge Arbeit, erfordert Geduld und Geschick.
Es sind aber auch eine ganze Menge Drucker dabei, die den Buchdruck nicht klassisch gelernt haben, beruflich mit dem Computer groß geworden sind und jetzt unter der Bezeichnung „Letterpress“ arbeiten. „Letterpress“ ist eigentlich nur das englische Wort für Hoch- bzw. Buchdruck. Für deutschsprachige, klassisch ausgebildete Drucker ist es aber zum Synonym für in diesem Sinn handwerklich „schlechten“ Druck mit zuviel Druck oder zuwenig Farbe oder dadurch „schlecht“ ausgedruckten Buchstaben. Für die Drucker der sozusagen jüngeren Generation ist aber genau diese Unvollkommenheit einer der Reize, Hochdruck von der Letter zu betreiben. Weil eben diese Unvollkommenheit einen ästhetischen Reiz hat oder eine gestalterische Funktion erfüllt, die am Computer nicht oder nur mit unvernünftigen Aufwand hinzubekommen ist.
Kurioserweise wissen eben Drucker dieser beiden Generationen kaum etwas voneinander und kennen die jeweils anderen und ihre Arbeiten kaum. Nach meiner Vermutung liegt das daran, dass die ältere Generation aus papiernen Büchern lernt und voneinander weiß, wohingegen die jüngere Generation meist fast nur übers Internet kommuniziert. Sie leben oft in jeweils ihrer Welt. In dieser Ausstellung haben sie sich getroffen und kennengelernt. Was für alle eine Erweiterung des Horizontes war. Ein schöner weiterer Sinn dieser Ausstellung …

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, hoffe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt zu haben und wünsche Ihnen genauso viel Vergnügen wie es die Kollegen mit diesem Projekt hatten.