Rückblick auf ein verlorenes Land

Studien und Skizzen zur Literatur der DDR

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Leonore Krenzlin und Dieter Schiller sind Literaturhistoriker, unter anderem Spezialisten für die Literatur des 20. Jahrhunderts. Und sie sind ein Ehepaar. Sie stellen in diesem Auswahlband ihre Überlegungen zur Literatur und zur Kulturpolitik  des Landes vor, in dem sie lebten und arbeiteten. Dabei geht es vor allem um das Schaffen einzelner Autoren wie Arnold Zweig, Stefan Heym, Christa Wolf, Volker Braun, Wolf Biermann, Hermann Kant und viele mehr. Aber auch kulturpolitische Ereignisse wie das Formalismus-Plenum oder die Bitterfelder Bewegung werden behandelt. Die Arbeiten bestechen durch aufschließende, in die historische Entwicklung eingebettete Betrachtungen, durch gründliche archivalische Recherche – und durch ihre Lesbarkeit. Die Thematik umfaßt den Zeitraum von vor dem Beginn der DDR bis über ihr Ende hinaus, so dass sich das Buch wie eine eigene Art von Literaturgeschichte liest.

 

ISBN 978-3-96611-000-6 • Gransee 2019 • EE-Reihe Bd. 22 • 15 x 22 cm • 536 Seiten • Paperback • 34 Euro

 

Leonore Krenzlin und Dieter Schiller zählen zu den renommiertesten Literaturwissenschaftlern der DDR und waren beide am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig. Daneben können beide auf zahlreiche (bzw. bald zahllose) Veröffentlichungen, Vorträge, Rezensionen, Vorwörter, Nachwörter, Konferenzbeiträge etc. vor allem zur Literatur des 20. Jahrhunderts, zur DDR-Literatur und zu Goethe zurückblicken.

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Statt eines Vorworts:
• Leonore Krenzlin: DDR-Literatur – Streitpunkt gestern und heute. (Aus einem Vortrag, 2004)

I. Remigranten
• Dieter Schiller: Anna Seghers’ Publizistik zwischen Exil und Heimkehr. (Vortrag, 1997)
• Leonore Krenzlin: »Man kehrt trotzdem nicht in die Fremde zurück.« Die ersten Briefe von Johannes R. Becher nach dem Exil. (Studie, 2012)
• Dieter Schiller: Der unbequeme Ja-Sager. Arnold Zweigs Jahre in der DDR. (Ein Aufsatz, 1998)

II. Die frühen Jahre
• Leonore Krenzlin: Die Einführung eines kunstpolitischen Argumentationsmodells Das Formalismus-Plenum von 1951. (Studie, 1989/2019)
• Dieter Schiller: Arnold Zweig in der Akademie der Künste. (Studie, 1993/2000)
• Leonore Krenzlin: Engagierte Literatur in der DDR? Probleme und Polemiken. (Konferenzbeitrag, 2013)
• Dieter Schiller: Die Krise vor dem Mauerbau. Zu Büchern von Christa Wolf und Fritz Rudolf Fries. (Konferenzbeitrag, 1989)
• Leonore Krenzlin: Franz Villons kleiner Bruder. Der junge Biermann in der DDR 1953-1965. (Studie, 2015/2019)

III. Bitterfeld und die Folgen
• Leonore Krenzlin: Soziale Umschulung und neuer Lebensstil. Der »Bitterfelder Weg« und ein Blick auf Brigitte Reimann (Eine Recherche, 1998)
• Leonore Krenzlin: Braun, die Braunkohle und das Ethos der Produktion. Zum gesellschaftlichen Kontext des Schauspiels »Die Kipper« von Volker Braun. (Vortrag, 2006)
• Leonore Krenzlin: Faust im Produktionseinsatz? DDR-Variationen im Umgang mit der Klassik. (Konferenzbeitrag, 2002)
• Leonore Krenzlin: Gegenwart und Utopie. Brechts »Büsching«-Fragment und »Moritz Tassow« von Peter Hacks. (Vortrag, 2009)
• Leonore Krenzlin: Vom Jugendkommunique zur Dichterschelte. (Konferenzbeitrag, 1990)

IV. Die Themen und die Ärgernisse
• Dieter Schiller: Ein ungedrucktes Buch als Ärgernis. Stefan Heyms Roman »Der Tag X« und die Parteiprominenz der SED 1960-1965. (Eine Recherche, 2003)
• Dieter Schiller: Stefan Heyms Roman über den 17. Juni (»Fünf Tage im Juni«). (Konferenzbeitrag, 1990)
• Dieter Schiller: Phantasie und Alltag. Thesen. (Entwurf für eine Studie, 1979)
• Dieter Schiller: Nahe Spielwelt der Phantasie. Zu Irmtraud Morgners Roman »Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz«. (Rezension, 1975)
• Dieter Schiller: Phantastische Erfindungen in erzählerischer Fülle oder Philosophie für Nichtfachleute. Zum Roman »Amanda« von Irmtraud Morgner.(Rezension, 1983)
• Leonore Krenzlin: Phantastische Umwege in den historischen Raum. Zu Anna Seghers »Sonderbare Begegnungen«. (Konferenzbeitrag, 2000)
• Dieter Schiller: Plenzdorfs neue Leiden. (Eine Notiz, 1973)
• Dieter Schiller: Ein Ort hinter den Bergen. Über Erich Köhlers neuen Roman. (Entwurf für eine Rezension, 1977)
• Dieter Schiller: Der Narr und sein König. Notizen zu Martin Stades Gundling-Roman. (Vorstudie für einen Aufsatz, 2001)

V. Rezensorische Betrachtungen
• Leonore Krenzlin: Sarah Kirschs »Die ungeheuren bergehohen Wellen auf See«. (Rezension, 1974)
• Leonore Krenzlin: Peter Hacks. Lieder, Briefe, Gedichte. (Rezension, 1975)
• Dieter Schiller: Volker Brauns »Notate«. (Kurzrezension, 1975)
• Leonore Krenzlin: Christa Wolf: Unter den Linden. (Rezension, 1975)
• Dieter Schiller: Auf Vorgänge orientiert und farbig im Detail. Die Geschichte von Tristan und Isolde neu erzählt von Günter de Bruyn. (Rezension, 1975)
• Leonore Krenzlin: Der Krott oder Das Ding unterm Hut. Erzählung von Erich Köhler. (Rezension, 1977)
• Dieter Schiller: Zu Erwin Strittmatters »Selbstermunterungen«. (Beitrag zu einer Umfrage, 1982)
• Leonore Krenzlin: Egon Günther: Reitschule. (Rezension, 1983)
• Dieter Schiller: Bei der Lektüre von Stefan Heyms »Nachruf« notiert. (Antwort auf eine Umfrage, 1990)

VI. Rückfragen an die Literatur
• Leonore Krenzlin: Der »Ostkrieg« in der DDR-Belletristik. (Vortrag, 2001)
• Dieter Schiller: Alltag, Widerstand und jüdisches Schicksal. Aspekte der Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich in der literarischen Öffentlichkeit der SBZ und frühen DDR. (Konferenzbeitrag, 1993)
• Leonore Krenzlin: Der erwartete und der unerwartete Ruhm der Brigitte Reimann. Nachdenkliches über das Leben, Lieben und Schreiben einer Schriftstellerin. (Eine Rede, 2013)
• Leonore Krenzlin: »Ich war kein politisierender Literat, sondern ein politischer Mensch«. Autorstimme und Figurentod in Hermann Kants Nachwendeerzählung »Kormoran«. (Aufsatz, 2014)
• Leonore Krenzlin: Literarische Kritik in politischen Verhältnisssen. Zur Rezeption von Hermann Kants Werken in Deutschland. (Studie, 2014)

Statt eines Nachworts
• Dieter Schiller: Antwort auf einige Fragen eines Bundesdeutschen zur DDR-Literatur. (Ein langer Brief, geschrieben 1990/1995)

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Ursula Reinhold im „Argonautenschiff“

Der Sammelband unterbreitet eine anregend zu lesende Fülle von Betrachtungen zu Autoren, zu Werken und deren Wirkungen, sowie Analysen von kulturpolitischen Vorkommnissen und Ereignissen aus der Geschichte der DDR. Mit dem Verschwinden des Staates ist auch die DDR-Literatur zu einem abgeschlossenen Kapitel und zum geschichtlichen Gegenstand geworden, so dass sich Fragen ihrer literaturgeschichtlichen Einordnung und Spezifik ergeben. Solche Fragestellung eröffnet den Rahmen der vorliegenden Beiträge. Er wird durch die Überlegungen gebildet, die Leonore Krenzlin einleitend und Dieter Schiller am Schluss des Buches in Beantwortung einschlägiger Fragen anstellt. Obwohl die Arbeiten teilweise schon in anderen Kontexten veröffentlicht wurden, bringt ihre Zusammenstellung für den Leser doch einen deutlichen Mehrwert, weshalb dem Granseer Verleger der Edition Schwarzdruck für die Publikation zu danken ist. Die Aufsätze markieren in ihrer chronologischen Überschau von der Nachkriegszeit bis zum Untergang der DDR deren geschichtliche Umgrenzung und leisten so Vorarbeit für eine Gesamtdarstellung des Gegenstandes. Der innere Zusammenhang der sehr unterschiedlichen Beiträge stellt sich durch methodologische Einheitlichkeit her, die sich im Literaturverständnis der beiden Wissenschaftler begründet. Die Autoren verstehen Literatur als Organ öffentlicher Verständigung über gesellschaftlich relevante Fragen, betrachten sie als einen kommunikativen Vorgang zwischen Autor, Werk und Leser. Sie realisieren damit ein Literaturverständnis, das auch für gegenwärtiges Schreiben wesentlich sein kann. Die Auswahl der Autoren bezieht sich auf solche Schriftsteller, die sich im produktiv-kritischen Dialog mit dem sozialistischen Gesellschaftsprojekt der DDR befanden und in diesem Bezug ihre ästhetischen Werk- und Wirkungsstrategien auf unterschiedliche Weise ausformten. Angeordnet ist das Material in sechs Gruppen, die der Chronologie der Gegenstände folgen, wobei an den Entstehungsdaten mehrfache Ansätze in den Arbeitsschritten abzulesen sind, die, durch das Ende der DDR bedingt, auf Sichtveränderungen hindeuten. Die Artikel haben höchst unterschiedlichen Charakter. Es gibt Rezensionen zu Romanen, Dramen, Gedichtsammlungen, Aufsätze und Betrachtungen zu thematischen Werkgruppen, Autorenporträts, Recherchen zu kulturpolitischer Eingriffen und Ereignissen. Kapitel I, „Remigranten“, enthält Schillers Aufsatz über die Publizistik von Anna Seghers zwischen Exil und Heimkehr, der bereits im 1998er Jahrbuch vom „Argonautenschiff“ veröffentlicht wurde. Hier stellt er detailliert die gedanklichen Vorbereitungen dar, die die Autorin aus dem Exil mitbrachte. Das Gefühl, in die Eiszeit zurückgekehrt zu sein, lässt die ursprünglichen Vorhaben nicht zu, die Publizistik aus den Jahren zwischen 1941-1946 blieb damals zunächst unveröffentlicht. Der Augenschein des Erlebten nach der Heimkehr löst Verunsicherungen aus. Aber mit reportageartiger Publizistik über Sowjetmenschen, über die Weltfriedensbewegung und über die Kunst Mexikos findet sie Möglichkeiten des geistigen Brückenschlags, ohne sich direkt auf die gegenwärtigen Verhältnisse in der SBZ beziehen zu müssen. Schiller hat schon mehrfach über Arnold Zweig publiziert, z. B. über dessen Verständnis von Judenheit und über europäische Perspektiven. Hier ist er mit zwei Aufsätzen über den Autor vertreten. In „Der unbequeme Ja-Sager. Arnold Zweigs Jahre in der DDR“ konstatiert Schiller, dass für das Werk Zweigs die Jahre nach der Rückkehr aus dem Exil nicht zu den produktivsten gehörten, obwohl er zwei Bücher innerhalb seines Weltkriegszyklus fertiggestellt und publiziert hat. Schiller beschreibt dabei Zweigs Bemühungen, auf das geistige Leben in der DDR Einfluss zu nehmen. Der sah sich als Marxist, distanzierte sich aber von einer gesellschaftlichen Verfassung, die unter der Herrschaft einer Partei stand, was dazu führte, dass ein Teil seiner publizistischen Arbeiten unveröffentlicht blieb. Das betraf vor allem Beiträge, die sich mit jüdischen Themen beschäftigten bzw. solche, die unter dem Einfluss psychoanalytischer Erklärungsmuster standen. Außerdem stellt Schiller hier auch Zweigs Aktivitäten als Präsident der Akademie der Künste vor. Leonore Krenzlin befasst sich mit Johannes R. Bechers brieflichen Bemühungen um Dialoge mit Persönlichkeiten, die der inneren Emigration zuzurechnen sind und die er nach Ende des Krieges für die Mitarbeit im „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ gewinnen wollte. Becher wandte sich an Anton Kippenberg, Gerhart Hauptmann, Hans Fallada, Ernst Wiechert, auch Frank Thiess und Hans Carossa, die sich an der der Polemik mit Thomas Mann beteiligt hatten. Er ist bemüht, Kontroversen zu mildern und auf Verbindendes hinzulenken. 

Kapitel II umfasst die frühen Jahre der DDR. Die Mehrzahl dieser Beiträge ist erst in jüngster Zeit erarbeitet worden. Leonore Krenzlin stellt eine gründliche Recherche über das sogenannte Formalismus-Plenum aus dem Jahre 1951 vor. Sie analysiert das Umfeld, beschreibt die unbestimmten und unsinnigen Argumente, mit denen unter dem Einfluss der sowjetischen Kulturadministration den Kunstschaffenden der jungen DDR begegnet wurde. Die auf dem Plenum geäußerte Kritik am Zurückbleiben von Literatur und Kunst warf den Künstlern vor, sie seien der Vergangenheit verhaftet und entzögen sich gegenwärtigen Aufgaben. Auch der Vorwurf des Formalismus gründete vor allem in Ignoranz gegenüber künstlerischem Arbeiten, in der Erwartung unmittelbarer Wirkung und der Vorstellung, mit idealisierenden Vorbildern positive Wirkungen erzeugen zu können. Bemerkenswert deutlich wird in Krenzlins Darstellung, wie dieses „kunstpolitische Argumentationsmodell“ gerade die Schriftsteller und Künstler irritierte, die am gesellschaftlichen Erneuerungsprozess engagiert waren. Der Eingriff behinderte den sich entwickelnden Kunst- und Literaturprozess in der frühen DDR erheblich und wirkte lange fort. Solche Probleme und Polemiken in den folgenden Jahren beschreibt sie auch in dem Konferenzbeitrag „Engagement in der DDR Literatur?“ Ihr Beitrag über die Lyrik des jungen Wolf Biermann gibt ein Beispiel dafür, wie dogmatische Enge den Dichter zum Dissidenten werden ließ. Schiller stellt in einem Aufsatz über Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“ und über Fritz Rudolf Fries´ Roman „Der Weg nach Oobliadooh“ (in der DDR erst 1989 erschienen) die haarscharfe Grenze zwischen tolerierter und nicht tolerierter literarischer Krisendarstellung vor. Das III. Kapitel versammelt Beiträge zu „Bitterfeld und die Folgen“ und stammt durchweg aus der Feder von Leonore Krenzlin. Am Leben und Werk von Brigitte Reimann geht sie dem Thema bis zu den aus dem Nachlass veröffentlichten Tagebüchern nach, mit deren Lebenszeugnissen die Autorin erneut öffentliche Beachtung fand. Sie fragt nach dem Verhältnis von Produktion und Utopie in Volker Brauns Schauspiel „Die Kipper“ und setzt unter diesem Gesichtspunk Peter Hacks´ „Moritz Tassow“ und Brechts „Büsching“-Fragment zueinander in Beziehung. 

Der IV. Abschnitt steht unter der Überschrift „Die Themen und die Ärgernisse“. Hier steht im Zentrum die Recherche von Dieter Schiller über Stefan Heyms Bemühungen, seinen Roman über den 17. Juni 1953 in der DDR zu veröffentlichen. Der Beitrag schildert ausführlich die Auseinandersetzungen mit der Parteiprominenz, die Heym darüber führte. Schiller bringt auch eine Analyse des Romans, der erst 1990 in der DDR in überarbeiteter Fassung unter dem Titel „Fünf Tage im Juni“ erscheinen konnte. An anderer Stelle analysiert er das literarische Selbstverständnis und den Wirkungsrahmen von Stefan Heyms Schreiben an Hand seiner Autobiographie „Nachruf“. Literaturkritische Betrachtungen zu Irmtraud Morgner, Ulrich Plenzdorf, Erich Köhler, Martin Stade, Anna Seghers‘ „Sonderbare Begegnungen“ leiten zum V. Kapitel über, das Rezensionen aus den 70er Jahren über Strittmatter, Sarah Kirsch, Christa Wolf , Günter de Bruyn, Egon Günther, Peter Hacks‘ Gedichte u.a. zusammenstellt.

Kapitel V versammelt „Rückfragen an die Literatur“. An thematischen Überblicken zur Kriegsthematik und zur Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus machen die Autoren Einseitigkeiten und Defizite deutlich, die die DDR-Literatur aufweist. Gleichwohl hat sie gerade in der Auseinandersetzung mit diesen Themen ein reichhaltiges Erbe hinterlassen. Krenzlin stellt im Beitrag über den „Ostkrieg“ die Etappen der Auseinandersetzung um die Schuldfrage und um die Bevorzugung pädagogisch-identifikatorischer Wirkungsstrategien an Titeln von Franz Fühmann, Johannes Bobrowski, Harry Thürk, Dieter Noll, Christa Wolf u. a. vor. Schiller widmet sich dem Themenkreis Alltag, Widerstand und jüdisches Schicksal an Büchern aus der SBZ und frühen DDR. Hier verweist er auf Cläre Jung, Klemperers „LTI“ und auf die Aufzeichnungen von Harald Poelchau, „Die letzte Stunde“, der als Gefängnispfarrer die letzten Worte der zum Tode verurteilten Widerstandskämpfer festgehalten und überliefert hat. Behandelt werden auch Hermlins Erzählungen, Kellermanns Roman „Totentanz“, Falladas „Jeder stirbt für sich allein“, ebenso heute kaum noch bekannte Bücher, wie etwa Nico Rosts „Goethe in Dachau“. Hier konstatiert Schiller, dass die Erinnerungen jüdischer Menschen in dieser Zeit ein Randproblem blieben. Besonders hervorhebenswert hier sind Krenzlins Beiträge über Hermann Kant. Sie versteht es vorzüglich, an der Analyse des Nachwenderomans „Kormoran“ Kants Stellung im Verhältnis von politischem Engagement und literarischer Arbeit darzustellen und dabei seine Verfahren komischer Distanzierung in den Erzählstrukturen und Wirkungsstrategien deutlich zu machen. Auch der Beitrag über die Rezeption der „Aula“ in Ost wie West gewährt tiefe Einblicke in öffentliche Rezeptionsweisen.

 Obwohl der Charakter der Beiträge sehr unterschiedlich ist, stellen sich für den Leser durch die methodologische Einheitlichkeit des Herangehens gedankliche Zusammenhänge her. Dabei liegt die Stärke von Leonore Krenzlin eher in der aufschließenden Untersuchung von Werkstrukturen und Wirkungsabsichten. Dieter Schiller arbeitet vorrangig an und in übergreifenden Zusammenhängen, stellt aber mit der Recherche über das Schicksal von Stefan Heyms Roman über den 17. Juni 1953 ein Paradebeispiel von kulturpolitischer Verhinderung vor. Die Aufsätze sind über einen Zeitraum von über vierzig Jahren entstanden und zeugen von kontinuierlicher Beschäftigung mit dem Gegenstand. Sie verarbeiten den Forschungsstand und fußen in den Beiträgen, die nach 1990 geschrieben wurden, auf reichhaltiges Archivmaterial. Was wirklich weiterwirkend sein wird, von dem, was DDR-Autoren geschrieben und veröffentlicht haben, ist noch nicht zu beantworten. Aber die Art und Weise, wie die Wissenschaftler auf die Literatur der untergegangenen DDR schauen, lässt beim Lesen gedankliche Zusammenhänge aufscheinen, die in die Gegenwart führen. 

 

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