Republik der Ratten

Roman

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»Es gibt Sachen, die diese Geschichte von Geschichten, die wir schon kennen, unterscheiden. Zum einen ist es eine wirklich aberwitzige Geschichte, die in Berlin spielt. Dann gibt es große philosophische Themen wie: Was macht den Menschen aus? Was macht ihn menschlich? Was macht ihn einzigartig? Wie und wodurch läßt er sich manipulieren und auch korrumpieren? Was hält die menschliche Gemeinschaft zusammen? Das sind so große Themen, die verhandelt werden. Aber in einer Art, wie ich sie so noch nie gelesen habe. Ich musste öfter an Kafka denken oder auch an Bulgakows ›Hundeherz‹. Dazu kommen Charaktere, die so skurril und liebenswert sind, die ihren ganz eigenen Humor haben, der über den ganzen Roman grandios wechselt zwischen Ernst und Feinsinn, zwischen Ironie und Eckkneipe.

Marion Brasch, radioeins 

ISBN 978-3-935194-78-5 • Gransee 2016 • Bericht Wahnwitziger Luizidäten • Bd. 20 • 12x20cm • Paperback • Schutzumschlag mit einem Linolschnitt von Roland R. Berger • jede Auflage 333 numerierte Exemplare • 192 Seiten • 20 €

 

Eckhard Mieder, Jahrgang 1953, Journalist, Autor und Filmemacher, hat es schon vor Jahren in den Westen verschlagen. Trotzdem hat er sich die sympathischen Seiten eines DDR-Intellektuellen bewahrt. Und schreiben konnte er schon immer …

Am 7. Juni verabschiedete sich der Zimmermann Amadeus Zündbrodt von seiner Freundin, wie morgens üblich, mit einem Kuss auf ihre Stirn, die sich wächsern anfühlte, während sie ihren restlichen Körper unter der Bettdecke verbarg, und erst als Amadeus nach sieben Tagen noch immer nicht heimgekehrt war, stand Isabelle auf, schmierte sich eine Wurst-, eine Käse- und eine Marmeladenstulle, um sich die Kraft anzufuttern, die sie brauchte, um das nächste Polizeirevier aufzusuchen.
Nach achtminütigem Fußmarsch dort angelangt, sank sie erschöpft und am ganzen Leibe zitternd auf eine Bank, die an einer mit Steckbriefen tapezierten Wand stand; etwa wurden zwei Mörder gesucht, ein normaler und einer, der in Serie unterwegs war, Auskünfte über drei vermisste Mädchen wurden erbeten, und auch die Fotografien der Bankräuber vom Vortag waren angepinnt. Die Zeit war einigermaßen verrückt geworden. Aber das besagte nichts, das wusste jeder, das musste jeder aushalten, wenn er weiterleben wollte, das war wahrscheinlich wie in einem Krieg oder während einer Naturkatastrophe oder wie kurz nach dem Scheitern einer Liebesbeziehung, die länger dauern sollte, als sie gedauert hatte.
Der Körper Isabelles befand sich in Aufruhr. Die drei Stullen waren eine Zumutung gewesen. Ihr Magen rebellierte, überall juckte die Haut, der Hals war zu. Dazu kam das Beben ihrer Glieder. Arme und Beine flogen, der Kopf wackelte, und der Schweiß der Kopfhaut hatte das Haar getränkt und ihm ein schönes Leuchten geschenkt, obwohl oder weil es seit zwei Wochen nicht gewaschen worden war. Aber im Kopf war Isabelle klar. Sie wusste, dass Amadeus vor sieben Tagen »Tschüs, Monsterlein!« gesagt und sie auf die Stirn geküsst hatte, wie immer, würde sie gleich dem Polizeibeamten erklären, der noch damit beschäftigt war, mit dicken Fingern auf die Tastatur eines PC-Boards einzuhämmern, und Isabelle wusste auch, dass sie Amadeus liebte. So wie sie überzeugt war, dass er sie liebte und niemals, hören Sie, niemals! einfach so verschwinden würde. Der Amadeus ist ein lieber Kerl, würde sie gleich sagen, der im Leben ziemlich viel Pech hatte. Und ich, würde Isabelle hinzufügen, bin gewiss nicht diejenige, die es ihm erleichtert hat. Dieses Leben. Sein Leben, das ich mir einverleibt habe, verstehen Sie? Ich bin nämlich wirklich ein Monster, Aber da ist diese große, gewaltige Liebe, verstehen Sie, Herr Polizist?

 

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